Tunnel-Idee zwischen Kunsthaus und Stadelhofen wird weiterverfolgt
Es wäre ein gigantisches Projekt: ein Tunnel für Fussgänger:innen vom Stadelhofen zum Kunsthaus. Ob dieser wirklich notwendig ist, darüber ist sich der Gemeinderat uneinig – die Idee soll jedoch weiter geprüft werden.
Ein Begriff fiel diesen Mittwoch im Gemeinderat besonders häufig: visionär.
Thema war der geplante Umbau des Bahnhof Stadelhofens und die Idee, im Zuge dessen einen 400 Meter langen Tunnel für Fussgänger:innen vom Stadelhofen zum Heimplatz zu bauen. Man stelle sich also vor, beim Kiosk vor dem Kunsthaus auf eine Rolltreppe zu steigen und dann durch dickes Gestein zum Stadelhofen runterzurollen.
Ist das wirklich visionär oder gehört die Idee, Passant:innen in den Untergrund zu schicken, nicht bereits der Vergangenheit an?
«Uns hat das bedeutend höhere Personenaufkommen überzeugt.»
Severin Meier (SP)
In der zuständigen Sachkommission seien anfangs fast alle skeptisch gewesen, ob das Projekt überhaupt notwendig sei, sagte Severin Meier (SP). «Wir haben uns gefragt: Was ist mit den grauen Emissionen?» Doch der anfängliche Widerstand sei letztlich geschwunden. Das überzeugende Argument: das voraussichtlich bedeutend höhere Personenaufkommen.
Bereits heute verkehren am Bahnhof Stadelhofen 770 Züge pro Tag, 80'000 Fahrgäst:innen nutzen ihn täglich. Damit ist er der drittfrequentierteste Bahnhof in Zürich und gehört zu den zehn am stärksten frequentierten Bahnhöfen in der Schweiz. Mit dem Bau des vierten Gleises, das die SBB bis 2037 umsetzen will, soll die Zahl der Fahrgäst:innen in den nächsten 20 Jahren um 50 Prozent steigen. Viele dieser Menschen wollen weiter in Richtung Hochschulgebiet, das derzeit ausgebaut wird. Ziel des Tunnels wäre es, den öffentlichen Verkehr am Bellevue zu entlasten.
«Es braucht mutige Infrastruktur-Investitionen.»
Carla Reinhard (GLP)
Am Mittwochabend waren sich die Lokal-Politiker:innen einig, dass es hier eine neue Lösung braucht. Doch bei der Frage der Ausgestaltung spalteten sich die Gemüter.
Carla Reinhard (GLP) lobte die Tunnel-Idee als «mutige Infrastruktur-Investition». Vorgängig wurden mehrere Varianten geprüft, mit dem Resultat, dass der unterirdische Tunnel die besten Lösung sei. Andreas Egli (FDP) bezeichnete die Idee als «Zahnarztvorlage», sie koste viel und sei schmerzhaft, aber dennoch notwendig. Nur die SVP lehnte das Projekt vehement ab. Derek Richter (SVP) fand es viel zu teuer und nur eine halbe Lösung, da der Ausgang beim Heimplatz nur auf halber Strecke zwischen Bellevue und Hochschulgebiet liege.
Von linker Seite kam vor allem die Kritik, dass eine oberirdische Variante ökologischer wäre. Zudem könnte ein 400 Meter langer Tunnel auch zu einem «Angst-Raum» werden, besonders für Frauen, so Roland Hohmann (Grüne). Das Tiefbauamt soll nun oberirdische Alternativen noch eingehender prüfen. Dafür erhöhte eine Mehrheit den Kredit um 300’000 Franken. Zusätzlich wurde ein Postulat von Hohmann und seinem Parteikollegen Markus Knauss überwiesen. Sie fordern vom Stadtrat einen Bericht, der aufzeigen soll, inwiefern der potenzielle Bau des Tunnels mit dem Netto-Null-Ziel in Einklang gebracht werden könnte.
Für einen endgültigen Entscheid, ob und wie das Projekt umgesetzt werden soll, war es am Mittwochabend aber zu früh. Zunächst ging es um einen Vorkredit von 11,6 Millionen Franken, der – mit Ausnahme der SVP und Teilen der Grünen – von allen Parteien angenommen wurde. Das bedeutet: Das Projekt wird vorerst weiterverfolgt, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen. In einem Jahr will der Rat das Thema erneut diskutieren. Das letzte Wort über das gigantische 100-Millionen-Franken-Projekt wird voraussichtlich 2031 die Zürcher Stimmbevölkerung haben.